6P Designs

   
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  Australia 2002
 
Mein Job als IT Consultant machte mir schon seit einiger Zeit keinen Spaß mehr. Die Projektangebote unserer Firma waren sehr bescheiden und ich rechnete seit einiger Zeit mit meiner Kündigung.
Obwohl ich immer noch einen Arbeitsplatz hatte, war ich dennoch schon seit Monaten sozusagen auf Abruf zuhause bei vollem Gehalt. Der Grund noch nicht entlassen worden zu sein war, dass meine Firma immer noch auf Projekte hoffte und entlassene Mitarbeiter bei einem Aufschwung wieder einstellen musste. Zwischendurch wurde ich Zuhause angerufen weil Vorstellungsgespräche bei diversen Kunden anstanden.
Die erforderlichen Kenntnisse der Unternehmen waren teilweise jedoch so speziell, daß ich, bzw. meine Firma nicht zum Zuge kam. Hinzu kam, das auch Budgets der IT Abteilungen von Großkunden aufgrund der schlechten Marktsituation gestrichen bzw drastisch reduziert wurden.

Die Situation war insofern angenehm das ich 24 Stunden Freizeit hatte. Ich ging zum Sport, gab mir Mühe meine Englischkenntnisse aufzubessern und konnte Dinge des täglichen Lebens erledigen, für die ich sonst wenig Zeit hatte. Sie war aber auch zermürbend. Ich hatte zwar über Monate frei, war aber dennoch Zuhause gefangen und hatte ständig die Kündigung vor Augen. Jeden Tag konnte meine Firma mich anrufen, damit ich ein Vorstellungsgespräch beim Kunden wahrnehmen sollte, oder mich entlassen.
Einfach alles fallen zu lassen und selbst kündigen kam nicht in Frage. Ich würde zu hohe finanzielle Verluste hinnehmen müssen und das konnte ich mir nicht leisten. Solange ich meine Freizeit bei vollem Gehaltsausgleich genoss, konnte ich es aushalten. Während dieser Zeit hatte ich schon mehrfach versucht etwas Neues zu finden, doch die Lage war aussichtslos. Es kam nur selten zu einem Vorstellungsgespräch. So wartete ich auf die richtige Gelegenheit.

Ein Gedanke ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Falls ich wirklich entlassen werden sollte, würde ich mich für einen Abenteuerurlaub entscheiden. Am besten soweit weg wie möglich – Australien. Eigentlich glaubte ich nicht wirklich daran, aber wer gibt sich nicht manchmal gerne seinen Träumen hin.

Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich immer fleißig gearbeitet und hatte es nie gewagt aus den Schienen des Arbeitslebens auszubrechen. Ich hatte Geld gespart und wieder an der Börse verloren. Diesmal wollte ich es anders machen.
Drei weitere Monate vergingen, ohne das sich ein Projekt ergab und ich hatte den Gedanken Australien schon ein wenig bei Seite geschoben, als ich am  27 März telefonisch in meine Firma bestellt wurde.
Mein Gefühl sagte mir; Es ist soweit. Und tatsächlich. Der Personalleiter erklärte mir sein Bedauern und wie furchtbar es ihm Leid tut.
Gedanklich entspannt, hörte ich ihm zu und dachte mir, wenn er wüsste welchen Gefallen er mir damit erweist. Allerdings ließ ich mir nichts anmerken, lies den Kopf hängen und tat so, als wäre ich am Boden zerstört. Da saß ich nun vor Ihm als ein Häufchen Elend, das gerade seinen Job verliert.
Ich unterschrieb teilnahmslos die Kündigung, verabschiedete mich dennoch recht freundlich und verließ das Gebäude. Draußen grinste ich über beide Ohren. Hurra, endlich geschafft. Ein Wind von Freiheit wehte mir um die Nase. Ich warf allen Ballast von mir, war unendlich erleichtert und  Vogelfrei. Zwitscher!

Meine Kündigungsfrist war drei Monate zum Quartalsende, so dass mein Anspruch auf Geldfortzahlung bis zum 30 Juni bestand. Die nächsten drei Monate standen somit bei gedecktem Konto zu meiner freien Verfügung.
Ich hatte nicht vor, mich sofort nach einem neuen Job umzuschauen. Auch zeigten mir die Medien auf, wie schwierig z.Z. der Arbeitsmarkt im IT Bereich war. Selbst wenn ich alles dran setzen würde schnellstmöglich etwas Neues zu finden, gab es keine Garantie, dass ich auch einen Job in kürze bekommen würde. Möglicherweise würde ich die kostbare Zeit sinnlos mit Jobsuche vertrödeln. Ich wollte mal etwas ganz besonderes erleben, etwas das mir keiner nehmen konnte.
Zuhause angekommen setzte ich mich vor meinen Computer, durchstöberte im Internet die Angebote der Reiseveranstalter – Ich wollte nichts wie weg.
Wieder kam mir Australien in den Sinn. Zum spaß gab ich entsprechende Daten und Kriterien ein und....Ich staunte nicht schlecht. Der Bildschirm zauberte mir nach kurzer Zeit ein Maßgeschneidertes Angebot, dass ich unmöglich ablehnen konnte.
Es umfasste das 60 Tage gültige Ticket für rund 1000 Euro. Der Abflug sollte am 06 April erfolgen.

Ich wusste nicht viel über Australien. Eine Bekannte war 9 Monate am fünften Kontinent und hatte mir zwischendurch per E-Mail von Ihren Abenteuern berichtet. Ich selbst hatte noch niemals zuvor eine Reise unternommen, die nicht mit Übernachtungen, Mietwagen, Sehenswürdigkeiten organisiert war. Mich würde der Flieger nur hin und 2 Monate später wieder zurückbringen. Alles andere sollte Improvisation sein. 
Negative Gedanken und Überlegungen gingen mir durch den Kopf. Wohin gehen, wenn der Flieger in Sydney gelandet ist...was soll ich machen, wenn ich keine Übernachtungsmöglichkeit finde....In der Wildnis könnten mich die wilden Tiere fressen.  Auch hatte ich bis zum Abflug gerade mal 10 Tage Zeit für die Vorbereitungen. Sollte ich mich lieber woanders für einen „normalen“ Urlaub entscheiden?

Vielleicht würde sich ja das ganze Thema erledigen, wenn ich beim Reiseveranstalter anrufen würde und man würde mir sagen es sind keine Plätze mehr frei. Ich rief also an um mich zu vergewissern und mein Gewissen zu beruhigen. Am anderen Ende sagte man mir es sei kein Problem – es sind noch genügend Plätze vorhanden. Ich müsste mich allerdings möglichst bald um das Visum kümmern.
Ooops. Naja, eventuell klappt das ja mit dem Visum gar nicht so schnell und ich würde den Abflugtermin am 06 April gar nicht halten können. Nach einigen Telefongesprächen jedoch hatte ich das Thema Visum auch unter Kontrolle. Das geht ja wirklich zügig dachte ich und hatte das Gefühl, dass sich trotz des eng bemessenen Abflugtermins alles zu meinem Gunsten wendet.
Ich zögerte noch 45 Minuten nach meinem letzten Gespräch, sprach zu mir selbst – Junge, wenn nicht jetzt, wann dann? Die Entscheidung liegt bei Dir!
Du hast recht; sagte ich mir schließlich, griff zum Telefon und buchte den Flug.
Es gab kein zurück mehr. Wenn ich nicht das Ticket und somit die Kosten verfallen lassen wollte, werde ich in weniger als zwei Wochen australischen Boden betreten.

Die nächsten Tage arbeitete ich fieberhaft an den Vorbereitungen, besorgte mir Informationen aus dem Internet bzgl. Übernachtungsmöglichkeiten, Kosten, Sehenswürdigkeiten. 
Immer wieder fiel der Begriff „Backpacker“. Mein Englisch war nicht fließend, aber auch nicht gar so schlecht. Das Wörterbuch übersetzte es mit „Rucksacktourist“.  Jugendherbergen wurden ebenfalls als Backpacker oder YHA Hostels bezeichnet. Damit erklärten sich nun einige Fragen von selbst.

Einen Schlafsack hatte ich auch noch nicht.  Ich ging also in ein Sportgeschäft, hatte keine Ahnung worauf man bei einem Schlafsack achten sollte. Der Verkäufer führte mir verschiedene Modelle mit unterschiedlichen Eigenschaften und Preisen vor. Wozu benötigen Sie denn den Schlafsack fragte er mich. In kurzen Sätzen schilderte ich ihm meinen Plan.
Begeistert erzählte er mir, dass er selbst erst vor kurzem aus „Down Under“ zurückgekommen ist. Er berichtete von seinen Abenteuern, gab mir hilfreiche Tipps und empfahl mir den Lonley Planet – Ein Reiseführer in englischer Sprache den jeder Backpacker haben sollte. Lonley Planet – Hatte ich noch nie gehört. Die Buchhandlung war gleich in der Nähe und da lag der Lonley Planet in großer Stückzahl für die verschiedensten Urlaubsziele u.a. auch für Australien. Ich nahm ihn in die Hand, wog ihn auf und ab. Ziemlich schwer – sicherlich 1kg. In Hunderten von Seiten wurden die Städte und Orte mit den Sehenswürdigkeiten, Unterkünften, Kosten sehr detailiert beschrieben. Das Buch hatte sehr nützliche Hinweise, war jedoch zu schwer, so dass ich mich dagegen entschied. Mein Ziel war von Anfang an, das Gepäck so leicht wie möglich zu halten und nur das allernötigste mitzunehmen. Denn ich wusste nicht, wie oft, wie lange bzw. auf welche Distanz ich es zu tragen hatte.
Auch hatte ich keinen richtigen Rucksack. Ich besaß eine robuste Sporttasche, die ich mir einst in den USA gekauft hatte. 150 Euro oder mehr, wollte ich nicht für einen Rucksack ausgeben.

Eines war noch von großer Bedeutung. Meine Digitale Kamera. Ich hatte sie ausgiebig unter realen Bedingungen bei meinem letzten Urlaub in Teneriffa getestet. Ich kaufte mir zu einer bereits vorhanden 64MB Speicherkarte noch zusätzlich eine von 128MB. Bei einer guten Auflösung sind über 600 Bilder und einige Videoclips möglich. Das sollte reichen. Außerdem erwarb ich eine spezielle Tasche für die Cam. An einem Hüftgurt aufgehängt, hatte sie einen sicheren, weichen halt und ich würde sie immer griffbereit dabei haben.

Die Tage bis zum Abflug vergingen. Im Bekannten und Freundeskreis wusste niemand von meinem Vorhaben. Ich selbst wusste es ja erst 10 Tage vorher und entschied es am vorletzten Tag vor Starttermin bekannt zu geben. Ich liebte Überraschungen.

04 April. Wie üblich überfliege ich morgens meine E-Mails. Mein lieber Schwager Tom, meine Schwester Janja und meine kleine Nichte Alicia grüßen mich recht herzlich aus Gran Canaria. „Wir genießen hier unseren zweiwöchigen Urlaub am Strand mit Faulenzen und viel Sonne – Wie ist denn das Wetter in München“? Herzliche Grüße, Tom, Janja,  Alicia.

Lächelnd dachte ich mir, eure Mail schickt mir der Himmel. Heute bin ich in Geberlaune. Meine Antwort: Hallo Ihr drei, finde ich ja klasse das ihr euch endlich den wohlverdienten Urlaub gönnt. Ach bevor ich es vergesse – Übermorgen fliege ich für zwei Monate nach Australien. Lasst es euch auch weiterhin gut gehen und viele Grüße.

Das hat hoffentlich gesessen – diese drei Bazis haben es sicher gebraucht! So, und jetzt kommen die anderen dran. Mit einer Rundmail verabschiede ich mich von Freunden und Bekannten.

Am 06 April besteige ich etwas nervös am Flughafen München den Flieger von Emirates. Der Flug wird sicher nicht besonders amüsant. Laut Flugticket sind es 30 Stunden insgesamt. Acht Stunden Aufenthalt in Dubai und weitere zwei in Singapur.
In der Kabine lerne ich Elizabeth aus Regensburg kennen. Sie hat das gleiche Ziel – allerdings möchte sie nicht zwei, sondern gleich vier Monate bleiben. Nach kurzem Kennen lernen beschließen wir nach der Landung uns gemeinsam nach einem Hostel umzuschauen.

Dann Endlich Sydney am frühen Morgen um 7.00 Uhr Ortszeit. Elizabeth hat einen Lonley Planet in ihrem Gepäck und bereits mehrere in Frage kommende Backpacker angestrichen. Als erstes kaufen wir uns am Flughafen eine Telefonkarte. Nach einigen Telefongesprächen mit diversen Backpackern und etwas Verwirrung schaffen wir es ein Nachtquartier zu organisieren.

Der Adler ist gelandet

Nach einer kurzen Busfahrt erreichen wir unser Ziel. Uns wird zunächst ein vier Bett Raum zugewiesen für 24 Australische Dollar. Das Zimmer schaut ziemlich dreckig und verwüstet aus. Der Spiegel an der Wand ist zerbrochen, Bettlacken und Handtücher liegen auf dem Boden. So wohnen also Backpacker dachte ich mir.
Meine Reisebegleitung beschwert sich über das Zimmer, möchte ein anderes.  Kein Problem -  allerdings für 28$ pro Übernachtung.
Nach einer kurzen Verschnaufpause verbringe ich diesen Nachmittag mit Elizabeth in Sydney City. Vom Opera House hat man einen wunderschönen Ausblick auf die Harbour Bridge und Skyline. Die Sonne scheint; Tausende Touristen.

Ich verbringe 7 Tage in Sydney und beschließe mit dem Bus an der Ostküste bis Brisbane zu fahren und anschließend mit dem Flugzeug nach Cairns zu fliegen. Cairns liegt im Regenwald und am Great Barrier Reef; bietet eine Fülle von Freizeitaktivitäten. An jeder Straßenecke werden Ausflüge, Tauchkurse, Souvenirs oder auch Fallschirmsprünge u.v.m angeboten. Ich habe Unterschlupf bei einem neuen Backpacker namens „Dreamtime“ gefunden. Auch hier – die verschiedensten Angebote über Freizeitaktivitäten und Ausflüge. Man hat die Qual der Wahl und muß Prioritäten setzen. Man kann sich nicht alles leisten. Australien ist nicht billig und auch hier bekommt man nichts geschenkt. Backpacker leben sparsam.
Der Service in Dreamtime ist sehr freundlich und die Zimmer ordentlich und sauber. Bereits in Sydney habe ich mich von Elizabeth getrennt. Ich bin erstaunt wie einfach es ist neue Leute kennen zu lernen.  Während der Busfahrt, beim Frühstück oder beim Wäsche waschen kommt man schnell ins Gespräch, tauscht Ratschläge und Erfahrungen aus.
Das Durchschnittsalter der Backpacker würde ich auf ca. 27 bis 32 Jahre schätzen. Ich treffe jedoch auch auf Mädels, die teilweise gerade mal 20 Jahre alt sind. Oftmals halten sie sich ein ganzes Jahr in Australien auf und ich bin oft erstaunt über ihre Reife.  Die einen sind gerade mit Schule oder Studium fertig geworden, haben ein Arbeitsvisum.  Aufenthalt und Reisen finanzieren sie sich durch die Unterstützung der Eltern, oder durch arbeiten auf Farmen, Restaurants und Gelegenheitsjobs.
Andere haben Geld gespart und Ihren Job geschmissen.

Ich habe einen Ausflug für 200$ zum Tauchen im Great Barrier Reef gebucht. Zuerst wollte ich ja eigentlich nur Schnorcheln, weil es günstiger gewesen wäre, dachte mir aber – richtig getaucht bist Du noch nie; jetzt hast Du die Gelegenheit. Zum Teufel mit der Kohle.
In Cairns besteigen wir alle das Boot, das uns in zwei Stunden zu einigen schönen Buchten und Korallenriffs bringen soll. Das Personal verteilte Tabletten für diejenigen, die für Seekrankheit anfällig sind.
Ich bin doch ein harter Kerl und brauche keine Pillen meinte ich zuerst. Nach ca. 20min. Fahrt und einem mulmigen Gefühl in der Magengegend ändere ich meine Meinung und nehme doch zwei Tabletten aus der Packung. Und das war auch gut so, denn das mulmige Gefühl verstärkte sich und auch die anderen Passagiere hatten damit zu kämpfen.
Einige legten Ihre Köpfe auf die Tischkante und sagten nichts mehr. Am schlimmsten jedoch traf es eine Dame aus England. Zuerst wurde ihr schlecht. Ihre Gesichtsfarbe wechselte von rosarot über blau bis zum grün. Sie füllte mehrere Tüten, die dann über Bord geworfen wurden.  Wenigstens hatten die Fische etwas davon.

In unserer Gruppe sind auch zwei amüsante Typen aus Hong Kong. Diese beiden fotografierten sich ständig und abwechselnd in den verschiedensten Posen. Mal mit, mal ohne lächeln im Gesicht. Sie fanden es wohl ganz normal, die anderen Passagiere schmunzelten schon über die Asiaten.

Während der Fahrt bekamen wir einen Taucher Crash Kurs, der in 15min. zum Abschluss kam. Meine Unterschrift besiegelte, dass ich körperlich Kerngesund war und über sämtliche Risiken aufgeklärt worden bin.

Die Unterwasserwelt im Great Barrier Reef war überwältigend. Ich staunte über die Farben der Fische und Korallen.

Zurück in Dreamtime unternehme ich noch einen Ausflug in den Regenwald und einen Fallschirmsprung aus 3000 Meter Höhe, bevor ich mich für eine Bustour quer durch das Outback entscheide.
Alice Springs mit den Sehenswürdigkeiten Ayers Rock, Kings Canyon und die Olgas ist mein neues Ziel. Geografisch liegt es ca. im Zentrum Australiens.  Die Entfernung von Cairns nach Alice Springs beträgt 2500 km, die Fahrt dauert 3 Tage. Weniger anstrengend wäre es sicher mit dem Flugzeug gewesen, jedoch wollte ich auch das Land und die Vegetation sehen. Gemütlich konnte ich es mir auch Zuhause machen, wenn ich wieder zurück komme; hier wollte ich etwas erleben.

Ich konnte es kaum erwarten, als ich am besagten Morgen um 6.30 Uhr abgeholt wurde.
Es war ein großer gemütlicher Bus und ich hockte mich ganz hinten hin. Die Fahrt begann. Hinaus aus dem Regenwald und Cairns. Wir waren 27 Leute aus 10 verschiedenen Nationen. Der Busfahrer Steve versorgte uns immer wieder mit verschiedenen Infos. Wir waren schon einige hundert Kilometer gefahren und ich schaute gemütlich aus dem Fenster. Hatte schon halb abgeschaltet, da es mir schwer fiel dem Akzent von Steve zu folgen.
Aufmerksam wurde ich als ich aus dem Lautsprecher vernahm, das es wohl bald darum ging sich der Gruppe vorzustellen. Der Schock folgte als Steve sagte: I suggest we begin with the guy in the left corner behind. Auf diesem Platz saß ich und hoffte, ich hätte ihn falsch verstanden. In meiner Unsicherheit zögerte ich, sah jedoch die Köpfe der Aasgeier vor mir, die sich umgedreht hatten und mich erwartungsvoll angrinsten. So nach dem Motto - he he schwarzer Peter! Es folgte nun der zweite Aufruf von Steve, so dass ich aufstand und langsam von ganz hinten nach vorne kam. Ich bekam das Mikro in die Hand und begann mit meiner Rede. Etwas nervös erzählte ich  wer ich bin, wo ich herkomme und von meinem Highlights in Australien. Nach dem ich fertig war sagte Steve...Ok Guys...give him a klap. Und alle applaudierten. Nun stellten sich auch die anderen vor und die Reise ging weiter.

Die Strasse durch das Outback ist meistens schmal. Die Oberfläche wechselt von Teer, unbefestigt, kiesfarben und rostrot. Zum Teil sehr rau, sodass wir häufig extrem durchgeschüttelt wurden. Es herrscht kein Verkehr. Nur selten begegnen wir anderen Fahrzeugen.


Steve war ein netter Kerl - immer wenn er etwas besonderes erblickte, hielt er für eine Fotosession an. Wilde Kamele, Emus, Kängeruhs hatte ich bis jetzt bestenfalls im Zoo gesehen. Aber hier sah man sie in der freien Wildbahn. Dann ein riesiger Vogelschwarm mit Zehn Tausenden von Vögeln die im Gras und auf der Fahrbahn saßen.
 Besonders amüsant fand ich jedoch die Rindviecher. Konnte mich totlachen, wenn sie mitten auf der Strasse standen und wir uns mit dem Bus näherten. Sie warteten und schauten uns an bis wir auf ca. 20 Meter rankamen, um dann zuerst vor uns im Galopp herzulaufen. Manchmal sprangen sie dann von der Strasse in die Steppe und kamen wieder ganz plötzlich auf die Strasse zurück. Steve machte sich einen Spaß und hupte sie an. Der Effekt war zum Totlachen. Die Viecher gaben aus dem Galopp noch mal Gas - Ihre Gesichter wurden ernst. In Gedanken verglich ich es mit einem Automatik, der bei Tempo 60 das Gaspedal durchtritt um bei einem Kickdown das letzte aus sich herauszuholen.


Die Landschaft wechselte vom Regenwald zu Buschwald, Steppe mit ca. 20-30cm hohem Gras in verschieden rot, grün, gelb Tönen. Das Land wurde flach, der Horizont entfernte sich. Der Himmel wolkenlos und strahlendblau. So fuhren wir dahin; stunden um Stunden.
 
Am nächsten Tag hielten wir an einen Ort Namens Midelton mitten in der Wildnis. Steve wollte uns was ganz besonders zeigen; fuhr den Bus Offroad und hielt vor einem Berg mit ca. 70m Höhe. Wir stiegen alle aus und kraxelten diesen Berg hinauf. Der Ausblick war unbeschreiblich. Wir blickten in das Tal und die flache Landschaft vor und um uns. In weiter Ferne sahen wir einen Road Train. (Trucks mit 3 oder mehr Anhängern). Meiner Kamera wurde es warm ums Herz  und mir natürlich auch.

 
Später kamen einige Wolken auf, die einen 3 Dimensionalen Effekt hatten. Sie waren niedrig und vereinzelt sodass ein räumliches Blickfeld entstand.
Am Abend übernachteten wir im "Grand Hotel". Ein 1 Sterne Hotel im Nichts. Ich ließ den Abend bei einem Bier ausklingen. Einige Jungs gaben sich allerdings tüchtig Stoff. Am nächsten Morgen hieß es um 4.50 Uhr Gepäck in den Bus laden. 5.00 Uhr Frühstück und 5.30 Uhr - On the Road. Als ich über den Balkon vom Duschen kam, sah ich zwei unserer Jungs sitzen. Jeder hatte 6 bis 8 leere Bierflaschen vor sich. Sie hatten sich zugedröhnt und die Nacht durchgemacht. Sicher nicht die dümmste Entscheidung, wenn man bedenkt wie schwer das Aufstehen nach einer ausgiebigen Zechtour sein kann.
Als wir losfuhren war es noch ganz Dunkel. Steve versprach uns einen sehenswerten Sonnenaufgang.
Der Vollmond - klar und Silber leuchtend begleitete uns durch die Dunkelheit dieses wunderschönen Morgens. Wake i wake i Guys....kam es dann wieder aus dem Lautsprecher. Es war kurz vor Sonnenaufgang. Wir sprangen alle aus dem Bus. Mit den Kameras im Anschlag warteten wir alle auf den Aufgang der glühenden Scheibe.
Das besondere war, das der Vollmond bereits am Himmel stand, während genau in der Entgegengesetzten Richtung die Sonne gerade aufging und genau dazwischen die Strasse. Weit und breit nichts und Niemand. Nur die endlose Steppe erhellt durch die Morgenröte.




 
Alle stiegen wieder in den Bus bis auf unseren Kollegen aus Malaysia. Er war ca. 100m vorgelaufen um den Bus im Sonnenaufgang zu Fotografieren. „We will scare him“ sagte Steve und wir fuhren einfach an ihm vorbei um dann nach ca 1km auf ihn zu warten. Ich ging derweil mal auf Busklo und als ich in ein paar Minuten wieder rauskam war unser Malaysischer Kollege etwas verschwitzt auch schon da. Ich fragte ihn..was you scared..tell me your thoughts. Doch ein anderer nahm ihm die Antwort weg und sagte: I tell you what he thought - He thought "The fucking Bus".
 
Ein andermal fand es Steve ganz witzig bei der eh schon holprigen Fahrbahn in Schlangenlinien zu fahren, während einer aus der Gruppe in der engen Kabine im Busklo saß. Ich fragte mich, ob er es wirklich geschafft hat sein Geschäft zu verrichten. Jedenfalls grinste er als er rauskam und zeigte Steve den Finger.
 
Wir näherten uns dem Ende der Reise zu Alice und mir kam die Idee Geld für Steve zu sammeln, weil wir echt spaß auf der Reise hatten. Das tat ich dann auch und es kamen ca. 60$ zusammen. Beim Dinner bedankte ich mich dann im Namen der Gruppe für seinen tollen Job. Er freute sich sehr und investierte das Geld in einer Runde für alle.
 
Da war ich nun in Alice Springs. Ich wollte mir zwei Tage Pause gönnen, überfliege die Angebote und vergleiche die Preise für die nächste Tour. Ich nutze die Zeit um mich in der Stadt umzusehen, meine Wäsche zu waschen, zu lesen oder mich mit den anderen zu unterhalten.
 
Dann ging es wieder los. Wir starteten am frühen Morgen - diesmal mit 21 Leuten und einem Kleinbus, der leider nicht so komfortabel war. Das Ziel in diesen 3 Tagen und zwei Nächten: Kings Canyon, die Olgas und Ayers Rock. Am Spätnachmittag erreichten wir Kings Canyon. Eine aus mehreren Steinlagen zusammengepresste Schlucht. Zur besseren Vorstellung: Riesige Big Mäcs. Allerdings mit viel mehr Lagen und nicht immer rund sondern auch in die Länge gezogen. Ziemlich beeindruckend.


Am Abend übernachteten wir im freien und bei Lagerfeuer. War schon ungewöhnlich unter dem klaren Sternenhimmel einzuschlafen. Es störte mich ein wenig, das einer in der Gruppe schnarchte. In der Dunkelheit hatte ich aber keine Ahnung wer es war. In der nächsten Nacht aber sollte ich erfahren.
 
6.30 Uhr – Zeit zum Aufstehen. Zum Backpacker Standard Frühstück gibt’s Toastbrot, Marmelade und Kaffee. Heute auf dem Programm: Die Olgas und Ayers Rock. Der Busfahrer legte Musik auf und sorgte für Stimmung. In der neuen Gruppe waren unter anderem 3 Deutsche, 1 Österreicher, 2 üble Engländer, 1 Spanier usw.. Die Engländer waren immer furchtbar laut und Meister im Saufen. Beide Künste präsentierten sie der Gruppe ausgiebig. Der Spanier war seit 2,5 Jahren auf der Flucht vor der Militär Polizei. Jedoch sagte er sei dieses Vergehen nach 5 Jahren verjährt. Somit hatte er noch weitere 2,5 Jahre zum Verreisen und im Ausland zu Arbeiten.
 
Die Olgas - schon aus der Ferne sichtbar - Noch gewaltiger als Kings Canyon. Eine scheinbar aus einzelnen gigantischen ca. bis zu 300m  hohen Steinen bestehende Landschaft. Bei näherkommen stellt mann jedoch fest, das die gewaltigen Monumente aus Milliarden kleinerer Steine bestehen.


Weiter zu Ayers Rock, den 340m hohen Steinkoloss, der zu Australiens Wahrzeichen geworden ist. Wir machten eine Teilbesichtigung und fuhren zum Lager zurück. Am Vortag hatten schon alle fleißig Holz gesammelt, damit wir schön warm beim Lagerfeuer einschlafen konnten. Die Engländer gröhlten wieder wie üblich und ertränkten den wenigen Verstand, den sie noch hatten in Alkohol.
 
Ich lag neben dem Österreicher - wurde wieder von dem Schnarchen geweckt, konnte nicht mehr einschlafen. Ich rüttelte ihn wach, da mir das Schnarchen in unmittelbarer Nähe erschien und bat ihn aufzuhören. Er war ziemlich Sauer, weil er es nämlich gar nicht war, sondern seine Nachbarin -  eine schwarze kräftige Lady aus Holland. O-weh, wie peinlich.
 Nun machten wir beide Witze über sie und ich schlug vor sie an den Beinen zu packen und 200m vom Lager in die Steppe zu schleifen oder ihr kleine Steine in die Nase zu stopfen. Sie hörte einfach nicht auf. Ich beugte mich über den Österreicher und rüttelte am Fell des schnarchenden Bären. Sie wurde auch sogleich wach, hob den Oberkörper und schaute um sich. Schnell legte ich mich wieder zurück, sodass sie mich nicht sehen konnte. Wortlos legte sie sich wieder hin und schnarchte sogleich weiter. Pech gehabt.
 
Am Morgen stiegen wir wieder in den Bus. Es war noch Dunkel und ein Dingo lief plötzlich unserem Bus voraus im Scheinwerferlicht. Nach einigen Minuten hatten wir die Hauptstraße erreicht und dieser verrückte kleine Hund lief immer noch Hunderte Meter voraus, so das wir nicht vorbeikamen. Die Situation für ihn wurde brenzlig als in einiger Entfernung entgegenkommendes Scheinwerferlicht auftauchte. Unser Fahrer machte das Licht aus, verlangsamte und irgendwann sprang der Köter endlich von der Fahrbahn in die Steppe. Alle im Bus grölten und freuten sich, das
er es geschafft hatte.
An diesem Morgen waren wir nochmals zum Ayers Rock unterwegs um das Farbenspiel des Sonnenlichts auf diesem einzigartigen Steingiganten zu erleben. Um 7.08 Ortszeit tauchte das Sonnenlicht in den nächsten 10 Minuten den Koloss von dunklen rostrot in einen leuchtenden rotbraun Ton ein.


Die nächsten zwei Stunden standen zu unserer freien Verfügung. Der Glaube und die Zeremonien der Ureinwohner erlauben es nur bestimmten Mitgliedern der Aborigines auf den Rock zu klettern. Ich gehörte ganz sicher nicht dazu und obwohl ich mir vorgenommen hatte nicht zu klettern, konnte ich doch nicht wiederstehen.
Der Aufstieg der ersten 13 Minuten war ziemlich anstrengend. Ich wollte so schnell wie möglich oben sein, um möglichst viel Zeit auf dem Rock zu verbringen. Nach 25 Minuten hatte ich den optimalen Aussichtspunkt erreicht, atmete tief ein und wusste im ersten Augenblick nicht was ich denken sollte. Bei klarem Wetter bis zu 150km freie Sicht
Ich stand in 340m Höhe auf heiligem Boden. Über mir strahlendblauer Himmel. Unter mir die Weite der mit Gras, Büschen und Bäumen übersäte Steppe. Es weht ein ziemlich kühler Wind. Das Land so eben und flach, nur in weiter Entfernung vereinzelt Berge. Der Horizont in weiter Ferne. Ob die Welt doch eine Scheibe ist?
Ich drehe mich einige male um meine eigene Achse. Es sind keinerlei Hindernisse vorhanden, die eine 360 Grad Sicht behindern könnten. Ich versuche die Augenblicke in meinen Gedanken festzuhalten für Zeiten, in denen ich mich wieder gerne zurück erinnern möchte.


 
Und dann sah ich ihn - einen der üblen Engländer. Er war auch hochgeklettert, begrüßte mich herzlich. Er war froh, so sagte er, dass er nicht alleine von unserer Gruppe hier oben war. Die anderen hätten ihn womöglich schief angeschaut und zu zweit erträgt sich eine Schandtat  sicher leichter.
Nach ca. 1 Stunde Aufenthalt begann unser gemütlicher Abstieg, sodass wir pünktlich um 10.30 Uhr unseren Bus erreichten. Am Abend waren wir wieder in Alice Springs. Ich buchte für Sonntag meinen Flug nach Perth.

Perth im Südwesten Australiens ist eine Grosstadt mit ca. 1.3 Millionen Einwohnern. Ich fand nichts besonderes. Läden und Geschäfte an jeder Ecke. Das Wetter ist furchtbar und ich wälze die Flyer durch - suchend nach einer Tour nach Norden - entlang der Westküste zu einem vernünftigen  Preis.
Am zweiten Tag erleide ich eine schwere Niederlage als Meisterkoch. Ich dachte, ich mache es mal den anderen nach und koche mir auch mal was vernünftiges abends beim Backpacker, statt immer Toastbrot mit Marmelade oder selbstgekauftes Obst zu essen. Ich wollte etwas einfaches zaubern - kaufte Fisch und Reis. Als ich dann mit der Zubereitung beginnen wollte, fragte mich ein Mädel, ob ich denn weiß wie man einen Fisch ausnimmt. Oho, daran habe ich noch gar nicht gedacht. Aus den Läden in Good Old Germany kenne ich nur Fisch, den man einfach in die Pfanne legt. Aber dieser hier musste ausgenommen und aufgetaut werden.  Dummerweise war der Reis nahezu fertig gekocht und ich bekam ein timeing Problem. Ich übergoss den Fisch mehrmals mit heißem Wasser damit er endlich auftauen sollte. Es dauerte ewig. Ich nahm ein Messer, schlitzte ihn auf und entnahm die Innereien. Als er schon in der Pfanne brutzelte, fiel mir ein, dass ich ihn ja hätte entschuppen können. Zum Schluss habe ich jedenfalls alles gegessen. Hätte schlimmer kommen können.
 
Im Fernsehen schaute ich mir die Wettervorhersage an. Sieht gar nicht schlecht aus an der Westküste im Norden. Ich buchte eine Tour noch am gleichen Abend und wurde am nächsten Morgen bei strömenden Regen abgeholt. Wenn das nur gut geht. Während  der Fahrt wurde das Wetter immer besser. Die Tour sollte mit Rückfahrt nach Perth 7 Tage dauern. Unser Ziel mit mehreren Stops war Exmouth, welches ca. 1300km nördlich von Perth an der Westküste liegt.
 
Erster Stop - die sogenannten Pinnacles. Eine große Fläche von aus dem Boden ragenden und durch Wasser und Wind geformten Steinen. Schaut ein weinig wie ein großer Friedhof aus. Ganz nett.
Zweiter Stopp - Sanddühnen, auf denen man Sandboarden konnte. Na ja, hat mich nicht so begeistert. Am Abend jedoch ein Klasse Sonnenuntergang mit feuerrotem Himmel. Wahnsinns Fotos!


Wir fahren zum Kalbarri Nationalpark. Ein wunderschöner Canyon. Würde schon gerne länger bleiben. Weiter zu einem Muschelstrand. Na ja. Ich habe keinen Bock auf den Strand, möchte lieber einige Fotos von den schönen Büschen und Sträuchern machen. Nach einigen Minuten nehme ich das Angebot unseres sympathischen Fahrers Charlie an, mich auf den Fahrtweg einzuholen und in den Bus aufzunehmen.

Kalbarri Nationalpark

Ich gehe also die Hauptstrasse entlang. Es ist kurz vor Sonnenuntergang und ich fühle mich frei und gut. Ich bewege mich der Sonne entgegen, die in etwa 15min untergehen wird. Vor und hinter mir die Strasse. Sichtweite ca. 1000 Meter in beide Richtungen. Es gefällt mir mich nach Stundenlanger Fahrt bewegen zu können, obwohl die Fahrt nicht langweilig ist. Ich starre stundenlang aus dem Fenster - genieße Land und Natur.
 
Dann kommt mir ein Gedanke. Ich habe noch nie auf einer Hauptstrasse gepinkelt. Weit und breit kein Bulle, der mir in den Arsch treten könnte. Auch kein Auto oder ein Road Train, der mich platt fährt und auch sonst niemand weit und breit. Ich bin allein in der endlosen Weite der Steppe. So trete ich also einige Schritte bis zur Mittellinie vor. Hm, mal eine andere art aufs klo zu gehen. Nur die Sonne war Zeuge!
 
Gehe und jogge weiter Richtung Sonnenuntergang. Der Feuerball ist schon tief und blendet, sodass ich kaum die Strasse sehen kann. Nach ca. 1500 Meter holt mich unser Bus wieder ein.
An diesem Abend beschließe ich nicht im Bett, sondern bei sternklarem Himmel in meinem Schlafsack am Strand zu schlafen. Da aus unserer Gruppe keiner dazu bereit ist, werde ich es allein tun. Die Jungs haben Angst sich den Arsch zu verkühlen. Saufen können sie aber wie die Weltmeister.
 
Nächster Halt ist Coral Bay. Gehe mal für 1,5 Stunden Schnorcheln. Nach dem Mittagessen beschließe ich für den Rest der Zeit mal in die Wüste zu gehen. Habe immer meine Kamera dabei. Vielleicht finde ich ja was nettes. Und etwas Bewegung kann nicht schaden. Das Marschieren durch die Wüste gefällt mir. Ich halte Ausschau nach irgendwelchen Viechern hinter den Büschen. Zwei Kängeruhs, die davon springen. Ich ziehe meine Kamera - leider nicht so schnell wie John Wayne seinen Colt - zu spät. Das einzige, was ich an diesem Nachmittag vor die Linse bekomme, ist ein fetter Grasshüpfer mit einigen Extras. Er konnte fliegen. Natürlich auch einige schöne Buschpflanzen.

Es geht weiter, wir kommen in Exmouth an. Charlie fährt uns an einen 50km entfernten Strand zum Schnorcheln. Ich mag nicht schon wieder Schnorcheln - hatte ich gestern schon. Der Strand und das Meer an dieser Stelle sind allerdings überwältigend. Weißer Sand, der durch das Türkisfarbene Wasser leuchtet. Lange Wellen. Schaut wirklich wie aus einem Glanzkatalog aus - nur 1000 mal schöner.


Ich habe 3 Stunden Zeit und habe vor in die 500m entfernten und ca. 20-30m hohen Steinhügel zu gehen. Es ist ziemlich heiß. Ich schätze mind. 30 Grad. Doch bin ich für den III Weltkrieg gerüstet. Habe immer meine Kamera dabei (leider nur noch 150 Bilder auf dem Speicherchip frei), meine rutschfesten Wanderschuhe, die mir bei meinen abenteuerlichen Aktionen guten Halt bieten und mich noch nie im Stich gelassen haben, für alle Notfälle ein Feuerzeug und natürlich....eine Wasserflasche, die mich vor dem verdursten retten soll.
 
Ich gehe durch die Büsche zur Hügelkette vor, erklimme sie und gehe am Hügelkamm, der parallel zur Strasse führt entlang. Unterwegs habe ich schon einige Kängurus aufgeschreckt, aber keine Chance sie aus der Nähe zu fotografieren. Und wenn, dann nur von hinten. Doch dann vernehme ich plötzlich wieder ein rascheln...sehe eine Kängeruh, das mich entdeckt hat und türmen will. Ich ziehe meine Kamera, diesmal schneller als John Wayne seinen Colt.  Das Tier hat diesmal ein Handicap - mein Glück. Vor ihm ist ein Fels und ich ca. 25 Meter hinter ihm. Es läuft um den Fels herum, bleibt kurz stehen und schaut mich an. Klick - Hab ich dich endlich!!! Der Tag ist gerettet.

 
Das gehen und erklimmen der Hügelketten macht mir echt Spaß. Ja, das ist meins. Nach zwei Stunden ist das Wasser aufgebraucht und meine Schritte nicht mehr so vital wie zu Anfang. Da ich nur noch eine knappe Stunde für den Rückweg habe, beschließe ich auf der Strasse und querfeldein zurück zur Gruppe zu gehen.
Ein Auto hält neben mir an. Der Fahrer möchte mich mitnehmen. Findet, das es keine gute Idee ist, bei der Hitze zu gehen. Ich bedanke mich, mache ihm jedoch klar das ich doch lieber zu  Fuß gehe. Würde mir in Germany kaum passieren.


Die Rückfahrt nach Perth dauert 1,5 Tage und ich habe wieder ein Zuhause bei einem neuen Backpacker gefunden. Überlege meinen nächsten Schritt. Es bleiben mir noch knappe 3 Wochen bis zur Rückkehr.
 
Heute beginnt eine neue 7 Tages Tour von Perth nach Adelaide, welche sich ca. 3400 km über zwei Staaten an der Südküste erstreckt. Zuvor war ich bereits 2 Tage in Albany im Südwesten.

 
Sternzeit 19 Mai im Jahre 2002. Pickup 6.40 Uhr. Zu meiner Verwunderung waren wir insgesamt nur 3 Backpacker auf dieser Tour. 2 englische Mädels, ich und selbstverständlich unser Busdriver Bill. Das wir nur zu dritt waren, liegt wohl daran, dass es zu dieser Jahreszeit kühler im Süden wird. Die meisten Backpacker ziehen in den warmen Norden (Wie die Geier). Am ersten Tag fuhren wir ca. 450 km, liesen den Abend bei einem Lagerfeuer ausklingen und zelteten am Campingplatz.
 
Am nächsten morgen ging es weiter. Wir erreichten am Nachmittag Esperance – ein Gebiet mit verschiedenen Nationalparks. Bill stoppte den Bus an einem Parkplatz, stieg aus und stellte mit Entsetzen fest, dass er einen Teil der Ladung aus unseren Gepäckanhänger bei der rauen Fahrbahn verloren hatte. Doch wir hatten Riesenglück. Am Vortag hatte er uns gesagt, wir sollten unser Gepäck in den Bus einladen. Erleichtert atmete er auf, als wir ihm sagten das kein Gepäck, sondern nur unsere Nahrungsvorräte dahin sind. Seine ehrenvolle Aufgabe war für die nächsten zwei Stunden alles nachzukaufen, was wir verloren hatten.
 
Unsere Reise führte uns zu Cape le Grand. Wir hielten an, gingen zu einem Strand. Ich verließ die Gruppe - Marschierte durch die Büsche um auf einen Berg zu klettern und somit einen besseren Blick auf die Landschaft zu bekommen. Es blieb mir nicht genug Zeit, sodass ich umkehrte und versuchte eine Abkürzung quer durch den Busch zu nehmen. Nach ca. 50 Metern wurde der Busch immer dichter, scheinbar unüberwindbar und mannshoch. Aus der Ferne hat es gar nicht so ausgeschaut. Meine Zeit wurde knapp. Ich kam kaum noch durch, wünschte mir einen Jean, der mir eine Machete reichen würde.  Mist, diesmal ist es vollständig in die Hose gegangen. Ich hatte noch ca. 30 Meter zum Strand – hörte das Meer rauschen und konnte es sogar sehen. Doch es war, als wollten mich die Gewächse mit Gewalt festhalten. Spinnweben gaben mir den Rest. Jeder Meter vorwärts wurde zur Qual, dabei war das Ziel so nah. Schließlich kämpfte ich mich einen kurzen Weg zurück, fand einen rettenden Pfad, erreichte geschunden und zerkratzt aber lebend den Strand.
Anschließend spazierte ich mit Claire zurück zum Lager. Die Aussicht in diesen 45 min war sehr beeindruckend.
Am nächsten Morgen – Wolken am Himmel. Bill fährt uns unweit vom Lager zu einer Klettertour. Der Aufstieg macht Spaß. In ca. 20min haben wir ca. 150 Höhenmeter überwunden. Der Blick: Atemberaubend! Cape le Grand sollte keiner missen, der in den Süden Australiens kommt. Von hier oben sieht man ähnlich wie von Ayers Rock die weite des Landes. Allerdings auch den südlichen Ozean und viele kleine Inseln und Buchten mit weißen Stränden und kristallklarem Wasser.
Der Gipfel des Berges bildet in den letzten Metern eine art Höhle bzw. Durchgangsfenster von ca. 35 x 25 Meter. Man kann durch den Berg in das Tal und am Horizont den Ozean sehen. Ich dachte an ein Märchen aus 1001 Nacht. Blicke ich gerade durch das sagenumwobene Tor zur Welt? Mir erschien es jedenfalls so.


Gespenstische Wolken umgeben die Morgensonne und erwecken meine Aufmerksamkeit. WOW! Ein Ort zum Nachdenken, den Gefühlen freien Lauf zu lassen und die grenzenlose Schönheit der Natur bestaunen.

 
Campfeuer im Busch am Abend bei Bier und Wein. Plötzlich als ich so vor dem Feuer stehe, ein unbekanntes Flugobjekt, das sich scheinbar in Selbstmordabsicht ins Feuer stürzen will. Eine Motte, aber was für eine. Ich nehme sie in die Hand. Sie füllt mehr als die Hälfte meiner Handfläche und ich spüre ihr Gewicht. Sie ist riesig. Als ich sie in 30m Entfernung aussetzen will, klammert sie sich an meine Hand und Finger und will mich gar nicht mehr loslassen. Ich vermute, sie hat sie sich unsterblich in mich verliebt. Bedauerlicherweise stehe ich nicht auf Motten.
 
On the Road again. Die Strasse – seitdem ich in Australien bin; zu meinem Zuhause geworden, windet sich in leichten Kurven, Kilometerlangen Geraden und Straßenkuppen, die sich dem Verlauf der sanften Hügel anpassen. Jenseits der Kuppen baut sie sich neu auf. Wieder und immer wieder. Links und rechts, reichhaltige Vielfalt der Vegetation.
 
22 Mai. Sind unterwegs auf dem Eyre Highway. Zwei Road Trains stehen links am Strassen Rand. Ein dritter liegt überschlagen und geschrottet auf der Fahrbahn. Muss gerade erst passiert sein. Shit Happens. Immer wieder tote Kängeruhs. Riesenadler und andere Flugsaurier erfreuen sich am gedeckten Frühstückstisch. Wir befahren die längste gerade Strecke Australiens. 146,6 km ohne eine einzige Kurve.


 
Bedingt durch die Jahreszeit ist der Himmel im Süden selten wolkenfrei und schwer zu beschreiben. Jedoch tragen die ständig wechselnden Wolkenbilder maßgeblich zur Gesamtheit der Atmosphäre bei. Die Wolken liegen tief, sind hellweiß, weiß, grau bis schwarz und formieren sich zu den bizzarsten Formen. Keine geschlossene Wolkendecke. Gelegentlich leichte Schauer. Die Sonne dringt immer wieder durch das weißgrau durch. Ihre durchsichtigen Strahlen erleuchten Segmente des Himmels, treten aus den Wolkenschichten aus um auf die Erde zu treffen. Meist am Abend – kurz während, bzw. Nach Sonnenuntergang prachtvolle Farben.
 
Road Trains mit 36m Länge – in manchen Staaten bis zu 54m fahren an uns vorbei. Ihr Fahrtwind schüttelt unseren Kleinbus heftig durch. Bill macht Witze über die Radfahrer, die er gestern kennen gelernt hat, die zugekifft und stoned mit dem Rad nach Adelaide wollen. (Mehr als 1200km). Mit zuckenden und schüttelnden Bewegungen auf seinem Fahrersitz demonstriert er, wie es einem Radfahrer ergeht, an dem ein Road Train vorbeirauscht. Ich kringele mich vor Lachen.
 
Wir halten an den Bunda Cliffs, die sich ca. 70m über dem Meeresspiegel erheben. Bill ermahnt uns vorsichtig zu sein. Er möchte keinen Papierkram ausfüllen müssen, für den Fall das einer von uns abstürzt.

 
Gestern sind wir mit einem Boot zur Baird Bay rausgefahren. Drei Seelöwen nahmen die Verfolgung auf. Sie begleiteten uns beim Schnorcheln und führten uns vor, wie müde doch unsere Bewegungen im Vergleich zu Ihren waren.
Unter Wasser entdeckte ich einen großen Seestern von 50cm Durchmesser. Ich zähle elf zacken oder Füße oder wie auch immer das man nennt. Bis dato hatte ich so etwas noch nie gesehen. Dieser lebte und bewegte sich in Schneckentempo über einen Felsen. In Australien brachte man uns bei, vorsichtig zu sein und nicht alles in der Pflanzen und Tierwelt anzufassen, da vieles gefährlich und giftig sein kann. Doch dieses etwas faszinierte mich – ich musste es berühren. Ich stand unter Anspannung und in Alarmbereitschaft meine Hand sofort wegzuziehen, falls er zubeißen oder sonst irgendwie bedrohlich werden würde. Es passierte nichts als ich ihn streichelte. Er beugte seine Füße hoch. Wahrscheinlich war er auch zu langsam um wegzurennen. Ich bemerkte, dass er seine Farbe wechselt. Von dunkelblau in ein rotbraun; solch einen Vorgang sah kannte ich nur aus dem Fernsehen. Er nahm  das rot des Felsens an, auf dem er sich bewegte.
Als ich aus dem Wasser kam, schlotterte ich mit den Knien und klapperte mit den Zähnen. Selten war mir so kalt. Es wollte gar nicht aufhören. Direkt peinlich vor den anderen.
 
Eskortiert von einer Schar Delphine bewegten wir uns an einen anderen Platz zum fischen. Ich angelte den ersten Fisch meines Lebens. Er war zwar nicht besonders groß, aber essbar. Außerdem war ich ja Anfänger. Die zwei Mädels freuten sich sehr, dass sie uns Jungs im fischen geschlagen haben. Nun ja, ich lasse Ihnen die Freude. Einem der Mädels rede ich ein schlechtes Gewissen ein. “Du hast ihn ermordet – Er ist durch Deine Hand gestorben”. Am nächsten Tag bei der Fischzubereitung wollen beide Mädels den Fisch nicht essen. Begründung: Gestern hat er noch gelebt. Diese Einstellung gefällt Bill und mir. Wäre eh für vier zuwenig gewesen. Wir beide ließen es uns schmecken. Unsere Gewissen blieben stumm. Wir dankten den Mädels, das sie so erfolgreich beim fischen waren.
 
Am Abend ein brillanter Sonnenuntergang. Der Himmel schien lichterloh zu brennen.
 
25 Mai – sind in Adelaide angekommen! Ich schaue mir ein wenig die Stadt an. Habe 2 Tage zum relaxen. Meine nächste Tour geht ins das viel umschwärmte Kangaroo Island. Mein letztes Unternehmen.
 
28 Mai. Für die nächsten 3 Tage und 2 Nächte ist Louise unser Tourguide und Fahrer. Diesmal waren wir 5 Backpacker. Unser Fahrzeug war kein gemütlicher Bus, sondern ein Toyota 4 Wheel Drive Land Cruiser. Unterwegs sahen wir schon viele Kängeruhs, bevor uns eine Fähre auf die Insel brachte. Am Abend kamen wir zu einer einsamen Hütte.
Auf meinen vorherigen Touren hatte ich schon gelernt welches Holz am besten für ein Lagerfeuer geeignet ist und sammelte fleißig dicke Äste. Diese sollten die ganze Nacht durchbrennen. Zwei englische Jungs und ich machten es uns vor dem Feuer gemütlich. Louise warnte uns; wir sollten uns nicht zu nah ans Feuer legen. Es ist schon vorgekommen, dass Schlafsäcke lichterloh in Flammen standen, während der Schläfer darin noch schnarchte.
Die Mädels wollten lieber in der sicheren Hütte übernachten.
Irgendwann wachte ich plötzlich auf und traute meinen Augen nicht. Das Feuer brannte immer noch und ein kleines Känguru saß einen Meter neben meinem Schlafsack. Ich konnte es anfassen. Es hoppelte nicht weg. Es sah witzig aus: Der kleine Kopf mit dem kräftigen Unterbau, kleine Ärmchen und dazu die großen Füße. Ich tippte auf Schuhgröße 44. Dabei war es höchstens halb so hoch wie ich. Am nächsten frühen Morgen war es wieder da und pinkelte einen halben Meter neben meinen Schlafsack - Mistvieh!!


Es gefiel uns die Insel mit dem Jeep zu erkunden. Gut war auch, dass wir nur eine kleine Gruppe waren. So hatte jeder ausreichend Platz im Wagen. Leider war es öfters ziemlich kühl. Man kann nicht alles haben.
 
Am Abend des letzen Tages mussten wir in der Dunkelheit auf die Fähre warten. Sie kam dann auch, mit der neuen Gruppe. Der Holzsteg, der von der Fähre zum Land führte war ca. 15m lang, einen halben Meter breit, ungesichert und ziemlich feucht. Unsere Blicke waren auf die neuen gerichtet. Ein junges Blondchen spazierte in voller Montur über den Steg. Trib Trab Trip Trab. Drei Meter vor dem Ufer begann sie für Bruchteile von Sekunden mit ihren Füssen und Beinen zu jonglieren... ooops!...In diesem Augenblick war ihr Schicksal besiegelt heute abend ins Wasser zu fallen. Nichts und Niemand konnte sie mehr retten und diesen Prozess umkehren.
Uuuuund Plumps!!. Leichte Wasserspritzer. Eieieiei, da geht wohl gerade eine baden. Zuerst tauchten die Füße ein, gefolgt von den Knien und Händen. Die glückliche – an dieser Stelle war das Wasser nur ca. 30cm tief.
Sofort waren Retter inklusive mir zur Stelle. Jedoch hatte sie sich schon wieder aufgerichtet und watschelte triefend ans Ufer. Der Abend konnte nur noch besser werden. Wo haben die Mädels bloß immer ihre Gedanken???
Die Situation entspannte sich, sie lachte wieder und ich konnte mir die Frage nicht verkneifen wie tief den das Wasser sei. Sie meinte: Schau dir meine Klamotten an, dann weißt du es. Oho!!
 
Nein, ich bin nicht Schadenfroh. Hätte ich sie retten können, bevor es passierte, ich hätte es ganz sicher getan – jawohl!
 
31 Mai. Ich spaziere ziellos durch Adelaide. Denke immer öfter an meine Rückreise, die kurz bevor steht. Es ist ein wenig wie…eine Henkersmahlzeit. Die anderen dürfen bleiben und ich muss gehen.
 
02 Juni. Ich steige in den Indian Pacific. Die Bahn, die die West mit der Ostküste verbindet. Die Fahrt zum Ausgangspunkt meiner Reise nach Sydney dauert 26 Stunden und geht über 1700km. Am 5 Juni geht mein Flieger.
 
03 Juni. Es ist vollbracht! Es gibt nichts mehr zutun für mich im Lande fern der Heimat und der Abenteuer. Jeder Traum hat einmal ein Ende. Es wartet das reale Leben um wieder seinen gewohnten Platz einzunehmen. Null Problemo! Meine Batterien sind aufgeladen. Keine Ahnung wie lange.
 
In 8 Wochen habe ich 5 von 7 Staaten mit dem Bus, Flieger und Bahn durchquert und dabei eine Strecke von ca. 16000 – 17000 km zurück gelegt. Ich hatte Spaß, habe sehr viel gesehen und nette Leute getroffen. Jede Menge neuer Eindrücke und Erfahrungen. Anfänglich vermeintliche Sorgen und Probleme lösten sich in Luft auf. Man muss sich überwinden, irgendwann anfangen und tun. Es ist leichter als man glaubt. Alles was groß geworden ist, begann einst klein.

 
 
   
 

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